Ein Detail auf der documenta fifteen 2022 auf dem Kasseler Friedrichsplatz
Die Kasseler Firmen sehen in den Waffenwünschen der Ukraine, die sich im Laufe des Krieges ständig steigern, ein „Wasser auf ihren Mühlen“. ‚Rheinmetall Landsysteme‘ besaß zu Beginn des Krieges ca. 70 ausgemusterte Schützenpanzer der Bundeswehr vom Typ „Marder“ und ca. 178 Stück Leopard-1-Kampfpanzer.
KNDS /’Krauss-Maffei Wegmann‘ hat den Export der Panzerhaubitzen („PzH 2000“) übernommen. Die von der Ukrainischen Regierung geforderte Sofort-Lieferung wurde aus Bundeswehrbeständen genommen. Es ist vorgesehen, dass diese Bestände zwischen 2024 und 2027 durch Neuproduktionen aus Kassel wieder aufgefüllt werden. 14 Panzerhaubitzen sind im September 2022 in die Ukraine geliefert worden. Unabhängig davon lieferten auch die Niederlande gleichfalls diese Haubitzen. In den Jahren bis 2027 wird KNDS 100 Stück „PzH 2000“ im Wert von 1,7 Mrd. € direkt für die Ukraine produzieren. KNDS lieferte im August 2022 auch 30 Stück Flak-Panzer „Gepard“ für den Kriegsschauplatz. Das konnte so schnell geschehen, weil die „Gepards“ bei KMW eingelagert waren, nachdem die Bundeswehr vor ca. 9 Jahren durch das Flugabwehrsystem „Ozelot“ (auf dem Basisfahrzeug „Wiesel“) einen Ersatz bekam. In den Monaten ab Januar 2023 lieferte Deutschland 100 Stück der o.g. „Marder“ („kampfwertgesteigert“ und instandgesetzt), eine größere Anzahl (nämlich zwischen 100 und 178 Stück) Leopard-1-A5-Panzer und 18 Stück Leopard-2-A6 an die Ukrainische Armee – z.T. ausgemusterte Fahrzeuge, z.T. direkte Bundeswehrfahrzeuge. Weitere „Marder“ gingen im „Ringtausch“ an Griechenland und an die multinationale ‚NATO-Battlegroup‘ in Litauen, da sie die sogenannte ‚NATO Enhanced Forward Presence‘ stärken soll/muss. Zugleich erteilte die Bundesregierung anderen Staaten wie etwa Polen die Genehmigung zur Lieferung deren eigener Leopard-Panzer an die Ukraine. Alle 18 Leopard-2-Panzer aus Deutschland sind bis Ende März 2023 an der Front eingetroffen. Gleichzeitig wurden etwa 20 bis 40 weitere Leopard 2 aus anderen NATO-Ländern der Ukrainischen Armee übergeben. Das Vereinigte Königreich lieferte 14 „Challenger 2″- und die Vereinigten Staaten 31 „M1 Abrams“-Panzer.
Sowohl der Challenger als auch der Abrams wird mit Munition vom Kaliber 120 mm mit abgereichertem Uran ausgestattet. Abgereichertes Uran ist zwar etwa 60 Prozent weniger radioaktiv als Uran im Naturzustand. Die Strahlung wirkt aber um so hinterhältiger. Aus dem Irak wird von einem Anstieg der Krebsraten in Regionen berichtet, in denen Uranmunition massiv eingesetzt wurde.
Am 16.03.2022 kam der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags zu der folgenden Einschätzung:
„Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“ (Hervorhebung im Original)
Seit dem russischen Angriff am 24.02.22, d.h. mit Beginn des Krieges ist der militärische Luftverkehr in Deutschland um 15 bis 20 % angewachsen. Am 20.03.2024 verriet der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski der Presse das „offene Geheimnis“, dass (wie er formulierte) „einige Truppen aus großen westlichen Ländern in der Ukraine“ eingesetzt seien.
Bislang legte die Bundesregierung einen beachtlichen Eifer an den Tag, einen Krieg zu gewinnen, ohne als Kriegsteilnehmer erkannt zu werden. Am 25. Januar 2023 allerdings sagte die deutsche Außenministerin vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg: „We do not do the blame game in Europe, because we are fighting a war against Russia an not against each other.“ (“Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“)
Am 22.06.2022 haben 60 ukrainische Soldaten an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein ihre Ausbildung für die deutschen Panzerhaubitzen 2000 beendet. Am 26.08.2022 endete für andere ukrainische Soldaten die Ausbildung in Putlos (ca. 50 km nördlich von Lübeck) für den Gepard. Ab Mitte November 2022 übernahm die Bundeswehr ein Drittel eines groß angelegten zweijährigen EU-Ausbildungsprogrammes. In den ersten 22 Monaten des Krieges (d.h. bis Ende 2023) sind rund 10 000 ukrainische Soldaten auf deutschen Truppenübungsplätzen und in Polen geschult, d.h. ausgebildet worden. Die Ausbildung für den Leopard 2 geschieht in Munster/Niedersachsen. Diese Schulung dauert fünf Wochen, die für den Marder acht Wochen.
Die Reparatur und Instandsetzung der zum größten Teil sehr intensiv benutzten deutschen Waffen übernehmen die Fachkräfte der Firma KNDS in einem Werkstattzentrum in Michalovce/Slowakei.
Ein „Boxer“ auf der Kasseler Hafenbrücke. Möglicherweise auf dem Weg in die Slowakei. Dort (im zentralslowakischen Lešť) sind mehr als 200 Bundeswehrsoldaten, ausgerüstet mit dem „GTK Boxer“, in eine von Tschechien geführte NATO-Battlegroup eingegliedert.
Nach den Veröffentlichungen der Bundesregierung wurden der ukrainischen Armee u.a. fünf MARS-II- und drei HIMARS-Raketenwerfer (eine nicht mehr ganz neue us-amerikanische Entwicklung), ein Artillerieortungsradar COBRA, drei IRIS-T-SLS– und vier IRIS-T-SLM-Raketenwerfer der Firma ‚Diehl Defence‘ (eine sehr neue Entwicklung) zur Verfügung gestellt. Die Bundeswehr wird den letztgenannten Waffentyp erst 2025 in Dienst stellen können. Die Lieferliste wird kontinuierlich aktualisiert, also ist erkennbar, was schon geliefert wurde und welche Lieferungen in Kürze anstehen. Zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 30. Juni 2023 sind zu Lasten des Bundeshaushalt für 3,9 Mrd. Euro Kriegswaffenexporte in die Ukraine genehmigt worden – d.h. es waren Schenkungen. Hinzuzurechnen sind Exporte, die nicht genehmigt werden müssen. Damit ist Deutschland der zweitwichtigste Waffenlieferant der Ukraine nach den USA.
Zu unterscheiden ist zwischen der Lieferung und der Kostenübernahme von Waffen auf der einen Seite und dem Herstellungsland der selben Waffen auf der anderen Seite. In der Zeit von Februar 2022 bis Februar 2024 sind 70 Prozent der von den EU-Ländern an die Ukraine (unentgeltlich) gelieferten Waffen in den USA gekauft, dort also hergestellt worden.
Das Thema ‚Kampfjets für die ukrainische Luftwaffe‘ ist sowohl mit hohen und drängenden Erwartungen, als auch mit ‚heißem‘ Eskalationspotential verbunden. Die NATO-Entscheidungen im Herbst 2023 lassen allerdings die Risiken außer Acht. Die ersten Kampfjets des Typs General Dynamics F-16 „Fighting Falcon“ aus Dänemark sind im März 2024 auf dem Kriegsschauplatz eingetroffen. Weitere F-16 aus Belgien wurden im August 2024 in die Ukraine geliefert. Neben den o. g. (propagandistisch überhöhten!) Erwartungen an moderne Waffensysteme, werden seit Anfang 2024 verstärkt Enttäuschungen – auch öffentlich – geäußert. Alle geleasten und gespendeten Leopard-2A-Panzer zusammen haben seit März 2023 für die ukrainische Seite so gut wie keine militärischen Erfolge erzielt. Die Ukraine und die NATO-Staaten geben dafür die verschiedensten Begründungen, die es aber auffällig vermeiden, eine Schuld bei der militärischen Führung zu sehen.
Der Krieg in der Ukraine lässt die Rüstungsindustrie florieren. Der Umsatz der Firma KNDS stieg von 2021 auf 2022 um 19 % auf 3,2 Mrd. Euro. Die Firma Rheinmetall setzte im Jahre 2022 6,4 Mrd. Euro um. Ca. ein Drittel davon geht auf das Geschäftsfeld Rad- und Kettenpanzer zurück.
Ende März 2024 traf Wirtschaftsminister Habeck – zusammen mit Vertretern des Kanzleramtes, des Auswärtigen Amtes, des Finanz- und Verteidigungsministeriums – mit den Leitungen von zwölf großen Rüstungsunternehmen Deutschlands zusammen. Selbstverständlich war Rheinmetall dabei. Der Kernpunkt des Gesprächs lag darin, das Zusammenwirken von Militär, Industrie, staatlicher Politik und Verwaltung geschmeidiger, einfacher und reibungsloser zu gestalten.
Allein in Kassel stieg die Rheinmetall-Beschäftigtenzahl von 1130 auf über 1400, dennoch spricht man von intensiver Personalsuche. Auch räumlich gibt es Wachstum; seit dem Sommer 2023 werden über 12 000 m² zusätzliche Nutzfläche in neuen Lagerhallen ausgebaut bzw. angemietet. Weitere Hallen sind im Entstehen.
(Dieses Wachstum der Branche zeigt auch die Firma ESG bei: ‚Zulieferer und Dienstleister‘.)
Am 19. Februar 2024 besprachen sich vier hohe Luftwaffenoffiziere – Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz war einer von ihnen – in einem Video- bzw. Telefon-Chat. Ungewollt und unbemerkt wurde die Besprechung mitgeschnitten und die 38 Minuten Gespräch werfen ein Licht in einen Bereich, der ansonsten der Öffentlichkeit als vertraulich/geheim verschlossen bleibt. Die vier Gesprächspartner („Moin, Moin, Herr General“) erwogen verschiedene Szenarien, inwiefern eine Lieferung des Marschflugkörpers „Taurus“ an die ukrainische Armee machbar oder eben nicht machbar wäre. Nun kann man alles in der Zusammenfassung nachlesen oder hören.
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