Wir kennen die Statistiken der absoluten Preise, die Deutschland den 4. Rangplatz der Rüstungs- exportländer zuerkennen. Aber relativ zur Wirtschaftskraft steht Deutschland eindeutig auf Platz 2.
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Der Name „Kassel entrüsten!“ legt es nahe, die Frage zu verfolgen, welche Waffen aus Kassel in welches Land der Welt (und in welchen Krieg) geliefert werden. Die Datenlage ist nicht optimal, aber die Antworten sind besser als gedacht. Wir haben nur die öffentlich zugänglichen Quellen ausgewertet. Dabei fiel uns u.a. auf, dass Exporte in die Türkei oft einfach unter den Tisch fielen. Z.B. erwähnt der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung das Exportland Türkei ausdrücklich nicht.
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Krauss-Maffei Wegmann entwickelte in den siebziger Jahren auch den Leopard 2. Der Konzern fungiert bei diesem Panzertyp als Generalunternehmer. Das Unternehmen Rheinmetall ist Ko-Produzent und steuert u.a. die Hauptbewaffnung, die Munition, die 120mm-Glattrohrkanone und das Feuerleitsystem bei. Die Bundeswehr stellte den Panzer im Jahr 1979 in Dienst. Krauss-Maffei Wegmann hat bislang über 3.000 Exemplare gefertigt, Rheinmetall weitere 1.400. Der Exportanteil ist hoch. Zahlreiche Streitkräfte weltweit haben den Leopard 2 im Arsenal.
KMW und Rheinmetall entwickeln den Leopard stetig weiter. Eine der Varianten ist der Leopard 2 A7+. Er ist optimiert für den Einsatz in sogenannten asymmetrischen Konflikten, d.h. auch, dass der A7+ besonders für den Einsatz in städtischen Gebieten ausgelegt ist.
In Karasu an der türkischen Schwarzmeerküste wurde im Mai 2018 der Grundstein für eine „Fahrzeugfabrik“ gelegt, deren Kapital aus Deutschland (von Rheinmetall), der Türkei, Malaysia und Katar stammt. Anders formuliert: Rheinmetall exportiert hier eine ganze Panzerfabrik(!) – eine besonders negative Kategorie unter den (an sich schon kritikwürdigen) Rüstungsexporten.
KMW und Katar scheinen eine besonders intensive und hervorgehobene Geschäftsbeziehung zu unterhalten. Katar steht in der Rangfolge der größten Rüstungsimporteure der Welt der Jahre 2014 bis 2018 auf Platz 14. In den fünf Jahren zwischen 2018 und 2022 steigerte Katar seine Rüstungsausgaben um kräftige 311 %.
Katar war einerseits ein wichtiger Partner der sunnitischen Waffenbrüderschaft mit Saudi-Arabien als Führungsmacht. Es beteiligte auf saudi-arabischer Seite im Jemen-Krieg – auch sogar mit Bodentruppen, wurde aber im Juni 2017 aus der saudi-arabisch geführten Koalition ausgeschlossen. Neuerdings unterstützt Katar die islamistische Muslim-Bruderschaft und die angebliche ‚Regierung‘ im westlichen Teil von Libyen. Tatsächlich ist diese ‚Regierung‘ aber nur eine von mehreren konkurrierenden ‚Warlords‘ (Machtclans) im libyschen Bürgerkrieg. In Libyen stellt sich Katar also gegen saudi-arabische Interessen. Katar blieb dennoch im direkten „Freundschaftsbereich“ der USA. Der Staat erhielt nämlich direkt nach dem Ausschluss aus der saudischen Jemen-Koalition 36 ‚F-15 Kampfjets‘ für 12 Mrd. $ aus den USA. Im Januar 2021 inszenierten Saudi-Arabien, die Emirate (UAE) und Katar eine politische Annäherung. Auch zu Bahrain gibt es seit April 2023 wieder eine Einigung.
Im Dezember 2020 wurde ein weiterer Deal genehmigt: KMW wird in Kürze 15 Flugabwehrpanzer „Gepard“, 4 Maschinenkanonen, 30 Kanonenrohre, 45 Verschlüsse und Munition, genauer 16 000 Patronen, (im Wert von 31,4 Mio. Euro) an Katar liefern.
Katar (Hauptstadt ist Doha) gilt als Brückenkopf für die ‚westlichen‘ Interessen in der islamischen Welt (Fußballweltmeisterschaft 2022, Ort des Strafgerichtshofes für die Verfolgung von Verbrechen des ‚Islamischen Staates‘). Seit Mai 2019 versucht Katar in Konkurrenz zu türkischen Interessen, mehrere Seehäfen in Somalia in seinen Besitz zu bekommen – angeblich auch gewaltsam. Im April 2020 vergab Katar Hilfsgelder an 100 000 arme Familien im Gaza-Streifen. Schon 1996 wurde in Doha (der Hauptstadt von Katar) ‚Al Jazeera‘ als erster transnationaler Nachrichtensender der arabischen Welt gegründet. Mit „finanzieller Überzeugung“ sorgte Katar dafür, dass die Fußballweltmeisterschaft Ende 2022 in diesem Land stattfand. In einem anderen Zusammenhang erlag auch die Vizepräsidentin des Europaparlaments der selben „finanziellen Überzeugungskraft“. Deutschland hat langfristige Verträge mit Katar unterschrieben, über LNG-Gas-Lieferungen.
In Katar gibt es eine augenfällige Zweiklassengesellschaft: nur ca. 300 000 Einwohner sind Staatsangehörige mit Rechten aus der katarischen Staatsbürgerschaft; die überwiegende Mehrheit, also etwa 2,4 Millionen Einwohner (rund 89 %) sind Arbeitsmigranten, oft aus Nepal, Indien und Bangladesch, mit deutlich weniger Rechten, was offen eingeräumt wird.
Inzwischen ist Katar einer der größten Aktionäre von bekannten deutschen Unternehmen. Katar besitzt rund 17 Prozent von VW, gut 9 Prozent von RWE, 8 Prozent der Deutschen Bank, rund 3 Prozent von Siemens und ca. 14 Prozent von Hapag-Lloyd. Dazu könnten Anteile unterhalb der gesetzlichen Meldeschwelle kommen, sowie indirekte Beteiligungen über Fonds oder andere Gesellschaften.
Bild: Transportpanzer Fuchs
Die in den nun folgenden Tabellen verwendeten Zahlen stammen aus öffentlichen Quellen. Hier lassen sich zwar nur Puzzle-Stücke finden, aber trotzdem kommt am Ende ein verständliches Bild dabei heraus.
In den Schwerpunkten ist zu erkennen, dass Katar, Ägypten und Algerien für den deutschen Rüstungsexport eine überragendere Rolle spielen, als von ihrem Rangplatz im Weltgeschehen zu vermuten gewesen wäre.
Für die Länder Saudi-Arabien, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Algerien, Singapur und Indonesien, haben wir die gekauften Produktklassen und -typen zusammengestellt.
Eine sehr detaillierte Export-Liste kann hier heruntergeladen werden.
Schließlich versuchen wir, die Ausgangsfrage:
„Welche Waffen aus Kassel werden wohin geliefert?“
mit einer Analyse der Haupt-Hersteller in Kassel zu beantworten:
Ein bisschen vergröbert – aus allen neun Tabellen zusammen – heißt die Antwort also, dass die Kasseler Niederlassung von „Krauss-Maffei Wegmann“ im Land Katar seinen Großkunden gefunden hat, während sich der örtliche Konkurrent (bzw. Partner!) „Rheinmetall Landsysteme“ auf das Land Algerien konzentriert, für das in Kassel die „Bausätze“ für den Transportpanzer Fuchs zusammengestellt werden.
aussagekräftige und empfehlenswerte Quellen:
COARM Public
European Network Against Arms Trade
United Nations Register of Conventional Arms
Greenpeace
STOCKHOLM INTERNATIONAL
PEACE RESEARCH INSTITUTE
Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit